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INSTITUT FÜR UMWELTSYSTEMFORSCHUNG


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4. Systemwissenschaftliches Kolloquium

Wintersemester 1996/97

31.10.96
Dr. Rolf Thöle
, Büro für Qualität und Umwelt, CUT Osnabrück

Umweltzertifizierung von Betrieben nach EU-Ökoaudit-Verordnung und DIN ISO 14001

Managementsysteme (Qualität, Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Notfallplanung) sind zur Zeit "in". Im Umweltschutz werden 2 Systeme (DIN ISO 14001 und EU-Ökoaudit-Verordnung) als konkurrierende Standards für ein anerkanntes Umweltmanagementsystem eingesetzt. Ziele beider Systeme sind die Koordination und ständige Verbesserung der betrieblichen Umweltschutzaktivitäten, kostensenkendes Umweltcontrolling und Öffnung des Unternehmens durch die Erklärung für Kunden, Konsumenten und die eigenen Mitarbeiter. Sie sind Bausteine auf dem Weg hin zum Total Quality Management. Das Referat soll einen kurzen Überblick über die Inhalte und Formalien der Einführung, Organisation, Auditierung und Zertifizierung dieser Managementsysteme geben, denen die entsprechenden Regelungen (DIN EN ISO 90000ff, DIN ISO 14001, EU-Ökoaudit-Verordnung) als jeweils ein international anerkannter Standard zugrunde liegen.

 

14.11.96
Dr. Lorenz M. Hilty
, FB Informatik, Universität Hamburg

Kopplung von Simulations- und GIS-Komponenten zur Unterstützung einer umweltorientierten Verkehrsmodellierung

m Rahmen des von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekts MOBILE (Model Base for an Integrative view of Logistics and Environment) wird ein objektorientiertes Modellbanksystem entwickelt, das eine umweltbezogene Maßnahmenevaluation im Bereich Verkehr und Logistik unterstützt. Neben Verkehrs- und Logistikmodellen stellt die Modellbank u.a. Emissions- und Immissionsmodelle zur Verfügung, um zu erwartende Umweltbelastungen abzuschätzen. Aufgrund der Dynamik der Verkehrsentstehung und des Verkehrsablaufs wie auch seiner Umweltwirkungen werden Simulationsmodelle eingesetzt. Aufgrund des Raumbezuges von Verkehrs- und Umweltdaten ist die Technologie Geographischer Informationssysteme (GIS) erforderlich. Das MOBILE-System verbindet beide Aspekte durch Kopplung in einem heterogenen verteilten System als Internet- bzw. Intranet-Lösung.

 

28.11.96:
Prof. Dr. Christian Wissel
, UFZ Halle-Leipzig, Sektion Ökosystemanalyse

Regelbasierte Modellierung (von Ökosystemen)

Traditionelle Modelle in der Ökologie benutzen in Anlehnung an die Theoretische Physik mathematische Gleichungen, vornehmlich Differentialgleichungen. Für viele physikalische Vorgänge in Ökosystemen sind diese ein adäquates Werkzeug, wobei in der Regel auf Grund starker Nichtlinearitäten eine numerische Lösung auf dem Rechner notwendig ist. Für ökologische Prozesse, bei denen die biologischen Eigenschaften der Organismen im Vordergrund stehen, bedeutet die Benutzung mathematischer Gleichungen meist eine starke Einschränkung. Die zugrunde liegende biologische Information muß meistens sehr stark deformiert werden, um sie in einer mathematischen Form zu fassen. Regelbasierte Modelle gehen nicht den Umweg über die Mathematik, sondern setzen die Modellvorstellungen in Form von Regeln eines Computerprogramms um. An Beispielen aus der Populationsdynamik und Ökosystemforschung wird die Flexibilität dieser Instrumente demonstriert. Ihre Möglichkeit nahe an der biologischen Realität zu modellieren macht sie fast universell einsetzbar. Meist sind die Regeln sehr viel leichter verständlich als mathematische Ausdrücke. Die Kommunikation mit Freilandökologen, auf die ein ökologischer Modellierer angewiesen ist, wird hierdurch extrem erleichtert.

 

5.12.96:
Prof. Dr. Bernd Meyer
, FB Wirtschaftswissenschaften, Universität Osnabrück

Nachhaltiges Wirtschaften, Ergebnisse von Simulationsrechnungen mit dem umweltökonomischen Modell PANTA RHEI

Der Referent stellt das umweltökonomische Modell PANTA RHEI vor, das in tiefer sektoraler Disaggregation den Zusammenhang zwischen Umwelt und Ökonomie abbildet. Am Beipiel der CO2-Emissionen wird die Eignung des Modells zur Simulation der Wirkungen umweltpolitischer Maßnahmen demonstriert. Durch die Einführung eines Marktes für Umweltschutzzertifikate können die CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 bei nur schwachen Einbußen beim Bruttoinlandspordukt um ca. 25% reduziert werden.

 

12.12.96
Dipl.-Phys. Mario Schmidt
, ifeu-Institut, Heidelberg

Ökologische Stoffstromanalyse zwischen effizienter Datenverarbeitung und praxisrelevanter Bewertung

Die Stoffstromanalyse spielt nicht nur bei der Abbildung nationaler Stoffströme, wie z.B. die Enquete- Kommission des Deutschen Bundestages "Schutz des Menschen und der Umwelt" vorgeschlagen hat, eine Rolle. Für - die Analyse von Produktlebenswegen von der Wiege bis zur Bahre, - die standortbezogene Ökobilanzierung von Unternehmen im Rahmen des Öko-Audits oder für - die Untersuchung von Abfallströmen gemäß dem Kreislaufwirtschaftsgesetz werden solche Stoffstromanalysen auch bei einer Vielzahl von Akteuren aus der Wirtschaft und Umweltverwaltung notwendig. Die praktischen Schwierigkeiten liegen dabei einerseits in der Verarbeitung einer großen Menge an Daten. Der Einsatz entsprechender Computerprogramme kann den Bilanzierer hier sinnvoll unterstützen. Andererseits besteht das Problem, unterschiedliche ökologische Wirkungen gegeneinander abzuwägen, eine "Bewertung" der naturwissenschaftlich-technisch abgeleiteten Bilanzergebnisse durchzuführen. Die internationale Bewertungsdiskussion in DIN, SETAC, IOS und SPOLD hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Trotzdem existieren heute viele verschiedene Bewertungsmodelle. Eine Vereinheitlichung ist nicht in Sicht. Die Transparenz und Pluralität in der Bewertung muß deshalb auch von entsprechender Software aufgegriffen werden, wenn sie den Anwender tatsächlich zielführend unterstützen soll.

 

16.01.97
Prof. Dr. Wolfgang Ebenhöh
, FB Mathematik, Universität Oldenburg

Schwarze Flecken im Watt

Im Juni 1996 erschienen große schwarze Flächen im ostfriesischen Watt, am ausgedehntesten zwischen dem Festland und der Insel Baltrum (dort 20% der Fläche). Die schwarze Farbe wird von FeS erzeugt. Wenn sie sichtbar wird, ist die oxidierte, sauerstoffhaltige Oberflächenschicht verschwunden und ein Massensterben setzt ein. Wir wurden von dem Ausmaß und der Plötzlichkeit des Phänomens überrascht, obwohl wir seit mindestens 3 Jahren auf die bisher winzigen schwarzen Flecken im Watt als Warnzeichen für eine mögliche katastrophale Entwicklung hinwiesen. Die AG von Prof. Höpner hatte in den letzten Jahren kleine schwarze Flecken künstlich erzeugt und die Vertikalprofile im Sediment von vielen biologischen und biochemischen Variablen gemessen. In einem mathematischen Modell wurden die vielen Prozesse miteinander verknüpft und es wurden Hypothesen für die Mechanismen aufgestellt, die zu den beobachteten Erscheinungen führen. Dabei wurde insbesondere postuliert, daß die Erschöpfung des Pools biologisch verfügbaren Eisens zu dem schnellen Anstieg der H2S-Konzentrationen auf das Hundertfache führt. Der Puffer fällt weg. Dadurch wird dann alles makro- und meiobenthische Leben getötet. Gleichzeitig erklärt diese Hypothese einen Memory-Effekt - wo einmal ein schwarzer Fleck war, entstehen leichter neue. Dies konnte überprüft werden. Viele Fragen bleiben offen: Warum ist nur das ostfriesische Watt betroffen, welche Rolle spielte der kalte Winter, war eine ungewöhnliche Algenblüte der Auslöser? Wir haben Vermutungen aber keine Gewißheit, wir gehen von einem multikausalen Phänomen aus. Eine einfache Erklärung gibt es wohl nicht. Heute sind nicht so sehr neue Experimente gefragt, sondern interdisziplinäres Nachdenken und Modellieren. Viele Daten und qualitatives Wissen sind über viele Köpfe und Bücher verstreut vorhanden und müssen nun gebündelt werden. Gegenwärtig wird die Regeneration der toten Wattflächen beobachtet. Milliarden junger Wattwurmlarven siedelten sich an der Oberfläche an und erzeugten bereits eine dünne durchmischte, oxidierte Schicht, die mit dem Wachstum der Würmer immer dicker wird. Wir erleben ein schönes Beispiel der Regenerationsfähigkeit eines natürlichen Systems, die aber nur deshalb erfolgen kann, weil es ringsum noch genügend intakte Flächen gibt, die Larven liefern können.

 

23.01.97
Dr. Manfred Kirchgeorg
, Institut für Marketing, Universität Münster

Betriebliche Organisation von produktbezogenen Rücknahme- und Recyclingsystemen

Am 7. Oktober 1996 ist das Kreislaufwirtschaftsgesetz inkraftgetreten. Als neues Element des Verursacherprinzips definiert das Gesetz für jene wirtschaftlichen Akteure, die Produkte entwickeln, herstellen, be- und verarbeiten und vertreiben eine erweiterte Produktverantwortung. Neben der Entwicklung und Herstellung recycling- und umweltgerechter Erzeugnisse erstreckt sich die Produktverantwortung auch auf die Rücknahme und Verwertung der Produkte nach ihrem Gebrauch. Um differenzierte Einblicke in die Ziele, Strategien und organisatorischen Konzepte zur Gestaltung produktbezogener Rücknahme- und Recyclingsysteme zu erlangen, hat das Institut für Marketing der Universität Münster mit Unterstützung der Bundesstiftung Umwelt in einem aktuellen Forschungsprojekt eine persönliche Befragung bei 100 Herstellern von langlebigeren Gebrauchsgütern durchgeführt. Im Rahmen des Vortrages werden ausgewählte Ergebnisse der Studie vorgestellt und kommentiert.

 

30.01.97
PD Dr. Günter Küppers
, Universität Bielefeld

Selbstorganisation in sozialen Systemen

Konzepte der Selbstorganisation, die in sozialen Systemen die Entstehung von Ordnung aus Unordnung erklären, sollen auf soziale Systeme angewendet werden. Dazu werden die Mechanismen der Ordnungsbildung vorgestellt und so verallgemeinert, daß sie auf soziale Prozesse angewendet werden können. Es kann gezeigt werden, wie der Versuch sozialer Akteure ihren eigenen individuellen Nutzen zu mehren bei Konkurrenz um knappe Ressourcen regelbildend wird. Allgemein gilt: Die Wahrnehmung sozialer Unsicherheit führt zu sozialen Regeln im Umgang mit Unsicherheit, die die Unsicherheit so lange verändern, bis Unsicherheit und der Umgang mit ihr einander bedingen. Bei den Regeln handelt es sich vor allem um die drei Regelkomplexe des ökonomischen Austauschs, der Sanktionen in Hierarchien und der Solidarität in Gruppen. Daß sie ordnungsstiftend sind und Handlungsrisiken überschaubar machen, ist offensichtlich.

 

06.02.97
Prof. Dr. Hartmut Bossel
, Wiss. Zentrum für Umweltsystemforschung, Universität/Gesamthochschule Kassel

Leitwertorientierung in der Selbstorganisation

Selbstorganisation kognitiver und normativer Systeme kann durch Training von "Animaten" in verschiedenen Umgebungen untersucht werden. Animate sind künstliche Wesen, die erlernen, in einer relativ komplexen Computerwelt zurecht zu kommen und zu überleben. Mittels genetischer Algorithmen bauen sie in evolutionärer Selbstorganisation Regelsysteme auf, um Nahrungsquellen aufzufinden und Hindernisse zu vermeiden. Diese künstliche Intelligenz entwickelt sich in verschiedenen Animaten unterschiedlich und führt zu unterschiedlichen Lebensstilen. Diese Unterschiede lassen sich auf Unterschiede in der Betonung der verschiedenen Systemleitwerte zurückführen (Existenz, Handlungsfreiheit, Wirksamkeit, Sicherheit, Anpassungsfähigkeit, Koexistenz). Diese Experimente im Bereich evolutionärer Selbstorganisation kognitiver Systeme zeigen, daß Werte nicht subjektive Erfindungen des menschlichen Geistes sind sondern grundlegende Systemnotwendigkeiten, die sich aus den Interaktionen eines Systems mit seiner Umwelt ergeben. In Verbindung mit den Konzepten der Orientierungstheorie haben die Ergebnisse der Animat-Forschung grundlegende Bedeutung u.a. für die nachhaltige Entwicklung gesellschaftlicher Systeme und für die Langzeitplanung.