Hauptinhalt
Topinformationen
7. Systemwissenschaftliches Kolloquium
Wintersemester 2000/01
02.11.2000
Dr. Karin Frank, Umweltforschungszentrum Leizig-Halle GmbH
Räumliche Modellierung in der Ökologie: Neue Ansätze und ihr Potential für Theoriebildung und Anwendung.
Das Ringen um ein grundlegendes Verständnis räumlicher Phänomene nimmt einen zentralen Platz in der aktuellen ökologischen Forschung ein. Dabei können Modelle hilfreich sein und ein besseres Verständnis fördern. Allein durch die Berücksichtigung des Raumes werden diese Modelle jedoch recht komplex, was die Ableitung von prinzipiellen und verallgemeinerungsfähigen Aussagen sehr erschwert. Im Vortrag werden Ansätze präsentiert, die eine Reduktion der Komplexität von räumlichen Modellen ohne Informationsverlust ermöglichen und eine Brücke zwischen Realitätsnähe und Einfachheit schlagen. Anhand ausgewählter Beispiele wird der praktische Nutzen der vorgestellten Ansätze für Theoriebildung (z.B. neue Einsichten in die Wirkung von Raum) und Anwendung (z.B. Ableitung von Entscheidungshilfen für den Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung) diskutiert.
09.11.2000
Prof. Dr. Donat-Peter Häder, Institut für Botanik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg
Schwerkraftperzeption von Mikroorganismen und ökotoxikologisches Bioassay.
Flagellaten, wie die photosynthetisch aktive Euglena gracilis, orientieren sich in ihrem Habitat u.a. an Licht und Schwerkraft. Während die Phototaxis einigermaßen verstanden ist, war der Mechanismus der Gravitaxis bis vor kurzem unklar. Neue Befunde zeigen, dass die Zellen über einen aktiven Gravirezeptor verfügen. Der Schwellenwert für die gravitaktische Orientierung wurde während der IML-2 Mission auf dem amerikanischen Shuttle Columbia mit etwa 10% der Erdbeschleunigung bestimmt.
Euglena wird auch in einem vollautomatischen Bioassay als Frühwarnsystem eingesetzt. Dabei werden verschiedene Bewegungs- und Formparameter der Zellen in einer Kontroll- und einer Testsubstanz (Sickerwasser von Mülldeponien, Abwasser aus der Industrie oder andere belastete Gewässer) mit einer computer-gesteuerten Bildverarbeitungsanlage vermessen und verglichen.
23.11.2000
Prof. Dr. Hartmut Graßl, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
Die veränderte Zusammensetzung der Atmosphäre: Grund für mehrere globale Probleme. (gleichzeitig Vortragsreihe der Universitätsgesellschaft)
Die besonders klimarelevanten Bestandteile der Atmosphäre sind Spurenstoffe, die zusammen nicht mehr als drei Promille der Masse der Atmosphäre ausmachen. Unsere Aktivitäten greifen in diesem klimarelevanten Teil drastisch ein. Durch Erhöhung der Konzentration aller langlebigen Spurengase (CO2, CH4, N2O), Partikelbildung aus kurzlebigen Vorläufergasen, Ozonabbau in der Stratosphäre und Ozonbildung in der Troposphäre sind vier inzwischen global klimawirksame Phänomene anthropogen. Für alle diese Anstöße zu Klimaänderungen werden Szenarien zukünftiger Entwicklungen und Schlußfolgerungen für die Umweltpolitik vorgestellt.
07.12.2000
Prof. Dr. Michael McLachlan, Institut für Ostseeforschung Warnemünde
Der Wald: Eine Falle für langlebige organische Schadstoffe (POPs)?
Gewisse organische Spurenstoffe, wie polychlorierte Biphenyle (PCB) oder Dibenzo-p-dioxine (PCDD oder „Dioxine“), besitzen eine ungünstige Kombination von Eigenschaften, die zu einer Gefährdung der Umwelt und des Menschen führen kann: Langlebigkeit und Mobilität in der Umwelt, eine Neigung zur Akkumulation in Nahrungsnetzen sowie toxische Auswirkungen bei niedriger Konzentration. Das Verhalten und der Verbleib dieser sogenannten POPs in der Umwelt ist ein wichtiger Forschungskomplex der Umweltchemie. In dem Vortrag wird die Hypothese aufgestellt, dass hierbei der Wald eine besonders wichtige und bisher unberücksichtigte Rolle spielt. An diesem Beispiel wird erläutert, wie wichtig die mathematische Modellierung neben Laborexperimenten und Freilandversuchen für die Lösung komplexer umweltchemischer Fragestellungen ist.
14.12.2000
Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß, Philisophie und Wissenschaftstheorie, Universität Konstanz
Die transdisziplinäre Zukunft der Forschung. (gleichzeitig Vortragsreihe der Universitätsgesellschaft)
Die moderne Wissenschaftsentwicklung führt vielfach aus den Kernen der Fächer und Disziplinen heraus. Neues in der Wissenschaft bildet sich zunehmend an den Rändern oder zwischen den Fächern und Disziplinen. Das liegt einerseits an innerwissenschaftlichen Entwicklungen, andererseits an allgemeinen Problemstellungen (Beispiele: Gesundheit, Energie, Umwelt), die uns nicht den Gefallen tun, sich selbst fachlich oder disziplinär zu definieren. Transdisziplinarität ist eine Antwort auf diese Entwicklung, wobei Transdiziplinarität nicht an die Stelle einer fachlichen oder disziplinären Ordnung tritt, sondern diese forschungsorientiert erweitert.
11.01.2001
Prof. Dr. Michael Sonnenschein, Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik-Werkzeuge und -Systeme (OFFIS)
Werkzeugunterstützung zur individuen-orientierten Modellbildung und Simulation in Umweltanwendungen.
In den letzten Jahren haben mit einer weiten Verfügbarkeit leistungsfähiger Computer individuenorientierte Modelle in der Ökologie größere Anwendung und Verbreitung gefunden. Gleichwohl sind individuenorientierte Modelle häufig reine "Programmiermodelle" mit den bekannten Problemen ihrer Kommunizierbarkeit, der Nachvollziehbarkeit von Resultaten oder der Korrektheit der Programme. Hilfe bei der Erstellung und bei der Verwendung individuenorientierter Modelle können spezifische Software-Werkzeuge bieten, die (nach Möglichkeit) den gesamten Prozess von der Modellierung bis zur Dokumentation der Resultate einer Studie unterstützen. Im Vortrag werden drei verschiedene Ebenen einer Werkzeugunterstützung vorgestellt.
18.01.2001
Prof. Dr. Heinz Saedler, Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln
Ernährung der Menschheit - eine globale Herausforderung. (gleichzeitig Vortragsreihe der Universitätsgesellschaft)
Das Wachstum der Weltbevölkerung ist ungebrochen, hierdurch werden zunehmend mehr Nahrungsmittel benötigt. Ihre Produktion ist nicht ausreichend, da die landwirtschaftlichen Nutzflächen ständig abnehmen und die Ernteverlust derzeit trotz Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht ausreichend in den Griff zu bekommen sind. Die Versorgung der Weltbevölkerung, insbesondere in den Entwicklungsländern, ist weder garantiert noch ausreichend. Vor diesem Hintergrund der mangelnden Versorgung ganzer Kontinente sind Maßnahmen, insbesondere für eine gesteigerte Produktion zu diskutieren, die eine Verbesserung dieser Situation ermöglichen könnten. Ziel muss es sein, hochproduktive und dabei umweltverträgliche Produktionssysteme zu entwickeln. Hier sollen die Beiträge der Biotechnologie zur Reduktion der Verluste, wie auch zur Erhöhung der Erträge in der Pflanzenproduktion beschrieben werden. Ferner sollen Wege aufgezeigt werden, die insbesondere ernährungsbedingten Mangelerscheinungen in der dritten Welt vorbeugen. Abschließend sollen Probleme der Biosicherheit der neuen Technologien diskutiert werden.
25.01.2001
Dr. Thomas Ternes, Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Vorkommen von Arzneimitteln in der aquatischen Umwelt und im Trinkwasser.
Arzneimittel werden bereits seit Jahrzehnten im Tonnenbereich je Jahr verwendet. Im Vortrag werden daher Expositionsdaten vorgestellt, die die Umweltrelevanz dieser Verbindungen verdeutlichen und die Eintragswege aufzeigen. In kommunalen Kläranlagen-abläufen konnten 36 von 55 Pharmakawirkstoffen und 5 von 9 Metaboliten in zumindest einer Probe quantifiziert werden. In 40 untersuchten deutschen Fließgewässern wurden 31 Pharmaka und 5 Metabolite nachgewiesen. Der Eintrag der Arzneimittel in die Gewässer erfolgt maßgeblich durch die Abläufe kommunaler Kläranlagen. Im Trinkwasser waren die meisten der untersuchten Pharmaka zwar nicht nachweisbar; von 65 analysierten Arzneimittelrückständen konnten jedoch immerhin 9 Substanzen in zumindest einer Trinkwasserprobe, allerdings im unteren ng/l-Bereich, nachgewiesen werden.
01.02.2001
Dr. David W. Pennington, Ecole Polytechnique Federale de Lausanne (EPFL)
Screening, Ranking and Comparison of Chemicals and Emission in the Context of Implicit Toxicological Concern.
A large number of methodologies have been proposed to support the relative comparison of chemical emissions in the context of implicit toxicological concern. Nevertheless, the selection of a methodology typically remains subjective and influenced by resource availability. To help practitioners address such issues, the results of three studies are outlined in this presentation: The merits and applicability of five categories of methodology are first illustrated with the help of a hierarchical framework and straightforward case study. A comparison is then presented of two of the more prominent but structurally different methodologies used in the US. Finally straightforward guidelines for focusing data collection efforts are presented.
08.02.2001
Dr. Peter Braun, Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München
Fraktale Hydrologie.
Sowohl in der internationalen Literatur als auch im Rahmen umfangreicher eigener Untersuchungen mehren sich die Hinweise darauf, dass die Dynamiken von Abflusszeitreihen ganz bestimmte Merkmale aufweisen. Insbesondere zeigt sich, dass die den Prozessen aufgeprägten "Rausch"-Komponenten ein skaleninvariantes Verhalten aufweisen. Dies hat für die Bewertung und auch die Simulation der entsprechenden stochastischen Prozesse einschneidende Konsequenzen. Im Vortrag werden die Auswirkungen dargelegt, die sich aus diesem speziellen Skalenverhalten für die wasserwirtschaftliche Praxis ergeben bzw. ergeben werden. Es deuted sich an, dass solch komplexe Aspekte empirischer Zeitreihen wie Trendverhalten, Extremwertstatistik, Korrelationsstrukturen u.a. neu durchdacht bzw. überprüft werden müssen. Wie sich herausstellt, ist dabei die explizite Kenntnis der Skalengesetze die zentrale Voraussetzung.