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8. Systemwissenschaftliches Kolloquium
Wintersemester 2001/02
18 Uhr c.t. - 20 Uhr s.t., Albrechtstr. 28, AVZ Raum 31/E06
08.11.2001
Prof. Dr. Hans-Joachim Poethke, Universität Würzburg, Biozentrum
Wanderungen in virtuellen Welten - Simulationsstudien zum Ausbreitungsverhalten von Insekten.
Studentische Ausarbeitung (Zeibig)
Insbesondere in der intensiv durch den Menschen beeinflussten Kulturlandschaft Mitteleuropas werden viele Tier− und Pflanzenarten durch den Menschen verdrängt und in ihrer Existenz bedroht. Sollen die Arten besser geschützt werden, so ist es notwendig, die Auswirkung menschlichen Handelns im Siedlungsbau, im Straßenbau oder auch in der Land− und Forstwirtschaft auf die Überlebensfähigkeit einzelner Populationen abzuschätzen. Hierzu werden in den letzten Jahren zunehmend auch prognostische Simulationsmodelle eingesetzt.
Für die Gefährdungsabschätzung von Tierpopulationen in stark zerschnittenen Lebensräumen mit Hilfe von Computersimulationen sind neben einer ausreichenden Kenntnis der populationsdynamischen Eigenschaften der Arten insbesondere auch umfassende Informationen zu ihrem Ausbreitungsverhalten wichtig. Neben unmittelbaren Beobachtungen im Freiland können uns Computersimulationen zur Evolution des Ausbreitungsverhaltens helfen, das Ausbreitungsverhalten von Tieren zu verstehen und die notwendigen Informationen zur Gefährdungsabschätzung zu gewinnen.
Ich möchte im Rahmen meines Vortrages die Probleme der prognostischen Modellierung skizzieren und insbesondere Simulationsstudien zur Evolution des Ausbreitungsverhaltens bei Insekten vorstellen.
15.11.2001
Prof. Dr. Michael Jischa, TU Clausthal-Zellerfeld
Zivilisationsdynamik.
Das Thema wird aus zwei Richtungen betrachtet werden. Aus Sicht der Lehre berichte ich über eine seit einigen Jahren etablierte Lehrveranstaltung "Dynamische Systeme in Natur, Technik und Gesellschaft", die sich an mathematisch belastbare Hörer wendet, sowie über eine neue soeben angelaufene Vorlesung "Zivilisationsdynamik" mit studium−generale−Charakter. Hierbei geht es um Aufbau, Struktur, Vorgehen und Ziele.
Alsdann werde ich über unsere Forschungsarbeiten berichten in Zusammenhang mit einem EU−Projekt Terra 2000 "Information Society and Sustainable Development". Dabei werden das Konzept der integrativen Modellierung sowie verschiedene Ansätze wie DKM (Dominant Relations Model nach Mesarovic), TES (Total Environmental Stress nach Malaska), der Syndromansatz (WBGU, Schellnhuber) und Modellierungen auf Basis der unscharfen Logik (Ludwig, Tulbure) zur Sprache kommen.
22.11.2001
Prof. Dr. R. Hegselmann, Universität Bayreuth, Institut für Philosophie
Modellierung sozialer Dynamiken - Ein Plädoyer für radikal vereinfachende elle.
Studentische Ausarbeitung (Mödinger)
Der Vortrag will zeigen, daß radikal vereinfachende Modelle einen fruchtbaren Ansatz darstellen, um soziale Strukturbildung bzw. Die Dynamiken, in deren Verlauf sie sich entwickeln, genauer zu verstehen. Dabei werde ich mich auf einen bestimmten Typus radikal vereinfachender Modelle konzentrieren, nämlich zelluläre Automaten In einem ersten Abschnitt wird das Konzept zellulärer Automaten bzw. Zellulären Modellierens näher erläutert. Ein zweiter Abschnitt wird zwei klassische Anwendungen aus den Sozial− und Verhaltenswissenschaften vorstellen. In diesen Modellen geht es um Gruppenbildung bzw. rassische Segregation. In einem dritten Abschnitt werde ich ein eigenes Modell der Entstehung von Solidarnetzwerken beschreiben. Ein vierter Abschnitt diskutiert Typen von Einsichten, die aus zellulären Modellen gewonnen werden können.
29.11.2001
Dr. Wolfgang G. Kreyling, GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg / München, Institut für Inhalationsbiologie
Wirkung ultrafeiner Aerosolpartikel auf die menschliche Gesundheit.
Studentische Ausarbeitung (Meister)
Ultrafeine Aerosolpartikel sind in aller Regel anthropogenen Ursprungs und entstehen durch Kondensations− oder Nukleationsprozesse aller Art. Aufgrund ihrer Größe zwischen 1 − 100 nm determiniert die Diffusion ihren Transport im atmosphärischen Aerosol und während der Inhalation und Deposition im menschlichen Atemtrakt. Ihre Masse ist vernachlässigbar, nicht aber ihre Anzahl, Oberfläche und chemische Oberflächenkomponenten. Erste epidemiologische Untersuchungen weisen auf eine Assoziation zwischen der Anzahlkonzentration des urbanen Aerosols und Morbiditätsparametern und Mortalität in suszeptiblen Personen hin. Im Unterschied zu größeren Aerosolpartikeln gelten als zugrunde liegende biologische Mechanismen eine geringere Protektion durch geringere Phagozytose von Makrophagen auf dem Lungenepithel, daraus resultiert eine verstärkte Wechselwirkung mit Zellen des Epithels und des Lungeninterstitiums. Dies führt eventuell zu entzündlichen Vorgängen im Atemtrakt und zu Irritationen des Herz−Kreislauf−Systems. Bestätigen sich die bisher erhobenen epidemiologischen und biologischen Daten zur adversen Wirkung ultrafeiner Aerosolpartikel, hat dies eine erhebliche Konsequenz für technische Anforderungen an die Abgasreinigungen von Fahrzeugmotoren, Heizungen, Kraftwerken und industriellen Verbrennungsprozessen.
06.12.2001
Prof. Dr. Wolfgang Durner, TU Braunschweig, Institut fü Geoökologie und Geographie
Sickerwasserprognose: Vision oder Utopie?
Im Jahr 1998 wurde im deutschen Bundestag nach erheblichem Ringen ein Bodenschutzgesetz (BBodSchG) verabschiedet. Das Gesetz fordert unter anderem im Rahmen der Altlastenbewertung eine Risikoabschätzung in Hinblick auf mögliche Grundwassergefährdungen durch Sickerwasser aus der ungesättigten Zone.
In der zugehörigen Bundesbodenschutz− und Altlastenverordnung (BBodSchV, 1999) wird konkret die sogenannte Sickerwasserprognose verlangt, die vorhersagt, ob als Folge von Ablagerungen mit einer Überschreitung von Prüfwerten für bestimmte Schadstoffe an der Grenze ungesättigte Zone/Grundwasser zu rechnen ist. Bislang existieren allerdings zu dieser Fragestellung keine unumstrittenen Untersuchungs− und Bewertungsverfahren. Derzeit wird an verschiedenen Stellen in Deutschland intensiv daran gearbeitet, praktikable Verfahrensvorschläge zu erarbeiten, mit denen die Freisetzung von Schadstoffen aus kontaminierten Ablagerungen sowie der nachfolgende Transport dieser Schadstoffe durch die ungesättigte Zone zum Grundwasser abgeschätzt werden kann.
Im Vortrag wird auf die besondere Problematik von Transportvorgängen in der ungesättigten Zone eingegangen. Es werden die spezifischen Probleme der Modellierung, der Parametererfassung, und der Validierung vor dem Hintergrund der Messproblematik und der räumlichen Variabilität diskutiert. Resümierend wird die Frage behandelt, ob die Forderung nach einer verlässlichen Prognose überhaupt realistisch sein kann.
13.12.2001
PD Dr. Matthias Liess, UFZ Leizig/Halle, Sektion Ökosystemanalyse
Effekte von Insektiziden auf Landschaftsebene.
Die Wirkung von Insektiziden in natürlichen Gewässern unterscheidet sich grundsätzlich von ihrer Wirkung in standardisierten Testsystemen. Die Identifizierung und Bewertung der für diese Unterschiede verantwortlichen Parameter steht jedoch noch in den Anfängen. Entsprechend dieser Diskrepanz besteht für die ökotoxikologische Bewertung von Insektiziden ein Wissensdefizit.
Der Vortrag stellt Ansätze dar, eine Brücke zwischen den Ergebnissen standardisierter Testsysteme und den Verhältnissen in natürlichen Gewässern zu schlagen. So werden einerseits Methoden der flächendeckenden Expositionserfassung dargestellt. Andererseits wird die Bedeutung der Wiederbesiedlung und der inner− und zwischenartliche Interaktion für die Bewertung der Effekte von Insektiziden auf natürliche Populationen dargestellt.
20.12.2001
PD Dr. Frank Jöst, Universität Heidelberg, FB Wirtschaftswissenschaften
Bevölkerungswachstum, Umweltprobleme und wirtschaftliche Entwicklung: eine dynamische Perspektive.
In der Öffentlichkeit wird häufig das Wachstum der Weltbevölkerung als eine wesentliche Ursache für die Zerstörung von Ökosystemen angesehen. Ob diese Einschätzung zutrifft, soll eine detaillierte Analyse des Zusammenhangs zwischen Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Entwicklung und der Nutzung der Umwelt als Schadstoffempfänger zeigen. Im Vordergrund steht dabei eine Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen den Subsystemen Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt. Anhand der Frage, welche Auswirkungen die jeweils charakteristischen Zeitskalen der Entwicklung der drei Subsysteme für die Gesamtdynamik des gekoppelten Systems haben, sollen Möglichkeiten und Probleme bevölkerungs− und umweltpolitischer Maßnahmen diskutiert werden.
10.01.2002
Dr. Alfred Becker, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
GLOWA Elbe - Ein integratives interdisziplinäres Forschungsprojekt zu den Auswirkungen des Globalen Wandels im Elbegebiet.
Ziel des vom BMBF geförderten Forschungsverbundprojektes GLOWA−Elbe ist die Entwicklung integrierter Strategien für eine vorausschauende und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Gewässern im regionalen Maßstab unter Berücksichtigung globaler Zusammenhänge, sowohl bezüglich ökosystemarer Wechselwirkungen als auch sozio−ökonomischer Rahmenbedingungen (BMBF 1998). Ein Schwerpunkt ist dabei die Entwicklung integrierter Analysemethoden, in denen die Problemwahrnehmung, die Handlungsmuster und das Wissen verschiedener, regionaler Akteure und Stakeholder berücksichtigt und darauf gestützt akzeptable und praktisch realisierbare Lösungen gefunden sowie Entscheidungshilfen für Politik und Wirtschaft zur nachhaltigen Bewältigung auftretender Probleme und Konflikte gegeben werden können. Die Methoden sollen einerseits eine interdiziplinäre Integration von Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachdisziplinen ermöglichen, andererseits auch eine "transdisziplinäre" Partizipation und Integration von Stakeholdern, Akteuren usw.
Hierzu wurde in GLOWA−Elbe ein integrativer methodischer Ansatz entwickelt, der vier wesentliche Teilschritte umfasst: (1) Szenarien−Entwicklung, (2) Auswahl von Bewertungskriterien und Indikatoren, (3) Impaktanalysen, (4) Bewertung. Die Schritte 1, 2 und 4 werden partizipationsgestützt durchgeführt. Die Impaktanalysen fordern den Einsatz von teilweise sehr komplexen Modellen bzw. Modellsystemen unterschiedlicher Disziplinen. Bei ihrem koordinierten Anwendung bietet sich der Einsatz von entscheidungsunterstützenden Systemen an. Der entwickelte Gesamtansatz, die zuvor genannten Teilschritte sowie die Partizipationsschritte und ausgewählte Anwendungsaspekte werden kurz vorgestellt und diskutiert.
17.01.2002
Prof. Dr. Dietrich Dörner, Universität Bamberg, Psychologisches Institut
Die Simulation von Gefühlen.
Studentische Ausarbeitung (Brieler)
Seit etwa 50 Jahren redet man von "Künstlicher Intelligenz". (Es ist umstritten, ob man "Künstliche Intelligenz" wirklich als Intelligenz bezeichnen soll, darauf wollen wir hier nicht eingehen.) Beim Menschen ist Intelligenz untrennbar mit Gefühlen verbunden. Man hat ein Problem, ärgert sich, dass man es nicht lösen kann, triumphiert, wenn man einem Ansatz gefunden hat, resigniert fast, wenn es dann doch nicht geht, usw. Diese Gefühle sind nicht einfach eine Begleitmusik des Denkens, sondern beeinflussen das Denken im hohen Maße und zwar in positiver wie auch in negativer Hinsicht. In diesem Vortrag geh es um die Rolle von Gefühlen die Parameter für kognitive Prozesse (Auflösungsgrad, Konzentration), wie beeinflussen sie das Planen und Entscheiden? Diese Fragen können nur zufriedenstellend beantwortet werden, wenn man ein Konzept für die Darstellung von Gefühlen als "Informationsverarbeitung" findet. In diesem Vortrag wird eine solche Theorie dargestellt, die auf einem sehr alten Konzept von Wilhelm Wundt (1892) basiert, nämlich auf dem Konzept der Gefühle als "Lageberichte" über die allgemeine Beziehung eines Individuums zu seiner Umwelt. Diese Lageberichte werden in bestimmte allgemeine Verhaltenstendenzen (Angriff, Flucht) und außerdem in interne Modulationen umgesetzt. Im Vortrag wird demonstriert, wie Gefühle "informationstheoretisch" aussehen könne; die Theorie wird außerdem durch Computersimulationen demonstriert.
24.01.2002
Prof. Dr. Sabine Hofmeister, Universität Lüneburg, Institut für Umweltstrategien
Nachhaltige Raumentwicklung.
Im Bündnis mit der räumlichen Planung sind die Erfolge ökologischer Planungen − Umwelt− und Landschaftsplanung − bisher eher begrenzt geblieben. In der Konzeption des Umwelt− und Naturschutzes scheint es nicht gelungen zu sein, den Naturraum und die Biosphäre vor den Folgen ihrer ökonomischen Aneignung zu bewahren: Chemische Substanzen sind allgegenwärtig im Raum und in der Biosphäre; sie sind zugleich häufig auch irreversibel in der Zeit. Indem wir jetzt begonnen haben, das globale Klima anthropogen zu verändern, wird auch das entlegenste und geschützteste Ökosystem zu einem (Neben)Produkt menschlichen Handelns. Es sind die unbewusst und unbemerkt als (unerwünschte) Folge− und Kuppelprodukte des industrieökonomischen Systems mithergestellten ökologischen Qualitäten, die jetzt als Umwelt−Probleme wahrgenommen und als "ökologische" Krisenphänomene angesprochen werden. Daher gilt es, Umweltplanung als eine vor allem auf das ökonomisch−technische System gerichtete Vorsorgeaufgabe statt als defensive Aufgabe des Flächenschutzes zu begreifen.
Im Diskurs um nachhaltige Raumentwicklung beginnt sich ein solches Verständnis mehr und mehr auch für die räumliche Planung durchzusetzen. Dass in diesem Diskurs die Zeitlichkeiten von Natur und Gesellschaft in den Vordergrund zu rücken beginnen, mag kein Zufall sein: Die mit dem Nachhaltigkeitskonzept verbundene Idee des integrativen Prozessmanagements, in dem sich soziale, ökonomische und ökologische Ziele
verbinden (sollen), fordert zu einem neuen, "zeitbewussten" Selbstverständnis von Planung heraus.
Im Rahmen meines Beitrags werde ich zeigen,
- an welchen Merkmalen sich der gegenwärtige Wechsel in Planungswissenschaft und−praxis erkennen lässt,
- wie die sich ausgehend vom Leitbild Nachhaltigkeit stellenden Anforderungen angenommen werden, und schließlich
- was den anstehenden Paradigmenwechsel in Planungswissenschaften und Planungspraxis (noch) hemmt.